Klage

Die Klage (K) ist ein handlungsarmer Epilog des Nibelungenlieds, in dem die Botschaft vom Burgundenuntergang den Hinterbliebenen in Worms, Passau und Bechelarn überbracht wird. Die Klage ist zusammen mit dem Epos überliefert und als ursprünglicher Bestandteil davon zu betrachten, obwohl sie weder in Strophen noch Aventiuren gegliedert ist, sondern aus einem Kontinuum von Versen mit einfachen Paarreimen besteht.

Kurzbeschreibung

Überlieferung und Edition

  • Die neun vollständigen Handschriften der Klage beginnen mit dem Nibelungenlied. Vier der sieben Fragmente stammen aus Handschriften, von denen Bruchstücke aus dem Epos selbst auch erhalten sind (K, N, S, U), drei sind allein überliefert (G, P, AA). Vermutlich enthielten diese drei Handschriften ursprünglich auch das Nibelungenlied. Wie diejenige des strophischen Werks gliedert sich die Überlieferung der Klage in drei Fassungen ungleicher Länge. Die Fassungen A und B sind nah verwandt und mit 4316 (A) bzw. 4322 Versen (B) bis zur Titelangabe fast gleich lang. Nach der Erzählung selbst (KA 1–4288, KB 1–4294, KC 1–4362) enden die drei Fassungen unterschiedlich. Alle haben einen Abschnitt von 28 Versen mit Angaben zur Entstehung des Texts (KA 4289–4316, KB 4295–4322, KC 4400–4427). Dazwischen hat die C-Fassung einen eingeschobenen Abschnitt von 37 Versen, in dem der Erzähler sich fragt, wie Etzel gestorben ist. Diese Fassung endet mit einer abschließenden Waise. Sie ist daran schuld, dass diese Fassung eine ungleiche Verszahl hat V (KC 4363–4399). B hat erst denselben Abschnitt am Ende und fügt nach der Waise einen Reimvers hinzu (KC 4323–4360). Abgesehen von dieser Umstellung stimmen die drei Fassungen in der Anordnung der Verse miteinander überein. Mit 4427 Versen ist C 2,6 % länger als A. Im Nibelungenlied hat C 5,4 % Strophen mehr als A. Eine grundlegende Arbeit zur Überlieferung der Klage verdanken wir Joachim Bumke. 1996 beschrieb er 14 Textzeugen, vgl. Bumke 1996 [Auszüge]. 2002 (AA) und 2006 (K4) wurden zwei weitere Fragmente entdeckt,
  • Der Erstdruck der Klage wurde 1757  nach C vom Schweizer Philologen Johann Jakob Bodmer besorgt. Er gab den Text zusammen mit dem Ende des Nibelungenlieds heraus. Er hielt die beiden Werke für zwei verschiedene Gedichte desselben Verfassers und identifizierte ihn mit dem Meister Konrad, der im Epilog der Klage genannt wird (Bodmer 1757, S. ix).

 Johann Jakob Bodmer (Johann Caspar Füssli, um 1748, Zentralbibliothek Zürich)

  • Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erschien die Klage noch meist zusammen mit dem Nibelungenlied (Myller 1784, von der Hagen 1810, Laßberg 1821/1846, Lachmann 1841), doch allmählich trennten sich die beiden Texte. Das Nibelungenlied erschien immer öfter allein (von der Hagen 1816, Schönhuth 1834, Lachmann 1841, Zarncke 1856, Bartsch 1870, Keller 1879), und auch die Klage wurde separat veröffentlicht (Schönhuth 1839, von der Hagen 1852, Holtzmann 1859, Bartsch 1875, Piper 1889).
  • Im 20. Jahrhundert sank das Interesse am Epilog so sehr, dass man sich oft mit Neuauflagen begnügte (Lachmann 141927, Lachmann 61960, Bartsch 21964). Nur in den Nachdrucken von Lachmanns Ausgabe der A-Fassung und in einigen Faksimiledrucken waren die beiden Texte noch vereint. In den letzten fünfzig Jahren sind sechs Ausgaben erschienen: Ranft 1971, McConnell 1994 (mit englischer Übersetzung), Classen 1997 (mit neuhochdeutscher Übersetzung), Bumke 1999, Lienert 2000 (mit neuhochdeutscher Übersetzung), Heinzle 2013 (mit neuhochdeutscher Übersetzung und zusammen mit dem Nibelungenlied). Bumkes Ausgabe, in der die vier Fassungen synoptisch präsentiert werden, ist heute maßgeblich. Die fünf übrigen neueren Ausgaben halten sich alle an die B-Fassung und Bartschs Verszählung und enthalten deshalb 4360 Verse. Zwei Übersetzungen der Klage sind ohne parallele Edition des mittelhochdeutschen Textes erschienen: Ostfeller 1854 (dt.), Buschinger 2001 (fr., zusammen mit dem Nibelungenlied). Somit liegt der Text in 19 mittelhochdeutschen Ausgaben und vier neuhochdeutschen, einer englischen und einer französischen Übersetzung vor.

Zusammenfassung

Die C-Fassung gliedert den Text in fünf Aventiuren, während die anderen Fassungen keine Unterteilung hat. Diese Zusammenfassung orientiert sich an der Gliederung der C-Fassung. Es wird im Folgenden auf die Handlung selbst fokussiert.

  • KB 1–586: Die Klage beginnt mit einer Nacherzählung der Geschehnisse bis zum Burgungenuntergang. Das Schicksal der Verstorbenen wird beklagt.
  • KB 587–1446: Viele Leute strömen weinend zum Festsaal. Dietrich beklagt Kriemhilds Tod und lässt ihre Leiche mit denjenigen ihres Sohns Ortlieb und ihres Schwagers Blödel aufbahren und wegtragen. Die Leichen der Burgunden werden ebenfalls unter Tränen zusammengebracht.
  • KB 1447–2278: Die anderen Gefallenen werden der Reihe nach gefunden und beweint, zum Beispiel Giselher und Gernot. Rüdigers Tod löst besonders große Trauer aus.
  • KB 2279–2708: Die Beerdigung der Toten dauert drei Tage. Der Fiedler Swemmelin wird dann von Etzel designiert, um zusammen mit zwölf von Rüdigers Leuten die Nachricht vom Burgundenuntergang an den Wormser Hof zu überbringen.
  • KB 2709–4360: Die Boten erreichen zunächst Wien, wo sie von der Herzogin Isalde empfangen werden (KB 2755). Sie reiten dann weiter und kommen über Traismauer (KB 2795) nach Bechelarn (KB 2799). Dort erzählen sie zuerst Gotelind und ihrer Tochter Dietlind eine Lügengeschichte, aber enthüllen schließlich die Wahrheit von Rüdigers und Giselhers Tod. Bei dieser Nachricht spritzt den Frauen Blut aus dem Mund, und sie fallen in Ohnmacht (wie einst Kriemhild, als sie von Siegfrieds Tod hörte, vgl. NLB 1006f). Nach dem Aufenthalt in Bechelarn erreichen die Boten Passau und überbringen dort dem Bischof die traurige Nachricht (KB 3294). Pilgrim befiehlt, dass alle Ereignisse aufgezeichnet werden, und Swemmel schwört ihm zurückzukommen, um diesen Befehl auszuführen. Nach einer Reise nach Bayern und Schwaben kommen die Boten in Worms an (KB 3529). Nachdem Swemmel Brünhild dort vom Tod der Burgunden und insbesondere ihres Mannes erzählt hat, stößt sie eine laute Klage aus, und Blut spritzt ihr aus dem Mund (KB 3663). Währenddessen betet Ute in dem Kloster, das sie in Lorsch gegründet hat (KB 3683). Sie eilt sofort herbei. Vor dem versammelten Hof in Worms erstattet Swemmel einen langen Bericht (KB 3777 –3947). Brünhild fällt in Ohnmacht, und Ute stirbt nach sieben Tagen vor Trauer. Sie wird neben ihrem Kloster begraben. Der junge Prinz, Brünhilds und Gunthers Sohn, wird zum Ritter geschlagen und gekrönt. Danach kehrt Swemmelin zu den Hunnen zurück und erzählt Etzel und Dietrich von seiner Reise (KB 4105ff). Daraufhin beschließt Dietrich mit seiner Frau Herrat vom Hunnenhof aufzubrechen, um in sein eigenes Land zurückzukehren. Nach sieben Tagen erreichen sie Bechelarn (K 4224). Bei ihrer Ankunft ist Gotelinde, Herrats Verwandte, gerade vor Trauer gestorben. Zum Schluss reiten Dietrich und seine Frau weiter.
  • „Aus Liebe zu seinen Neffen ließ Bischof Pilgrim von Passau in lateinischen Buchstaben diese Geschichte so niederschreiben, wie sie sich zugetragen hatte, damit derjenige, der später davon hört, einen genauen Bericht von den Ereignissen seit der ersten Stunde hat, wie alles geschah und sein Ende nahm. Er ließ das ganze Unglück der guten Krieger und ihren Tod aufzeichnen. Er bestand darauf, denn der Fiedler hatte ihm genau erzählt, wie alles sich zugetragen hatte, und er und viele andere Leute hatten es gehört und gesehen. Sein Schreiber, Meister Konrad, begann dies niederzuschreiben. Später ist diese Geschichte, die Junge und Alte gut kennen, oft ins Deutsche übertragen worden. Von der Freude und der Trauer dieser Leute will ich nichts mehr berichten. Dieses Gedicht heißt Die Klage.“ (KB 4295–4322) Niemand weiß genau, was mit Etzel geschah, aber es gibt verschiedene Gerüchte (KB 4223–4360).