Die Völsungasaga (VS) gibt den Inhalt der eddischen Heldenlieder in zusammenhängender Prosa wieder und schmückt den Bericht in lokaler Tradition mit Verseinlagen aus. Im Vergleich zu Snorris Bearbeitung der Nibelungensage hat die Völsungasaga ungefähr den zehnfachen Umfang.
Kurzbeschreibung
- Beziehung zur Nibelungensage: besonders Kap. 13–38
- Überlieferung: 1 Haupthandschrift (um 1400) und rund 50 sekundäre Handschriften (17.–19. Jh.) → Beschreibungen: handrit.is (14 Hss.), Fornaldarsögur Project (49 Hss.)
- Online-Überlieferung:
- Titel: Volsűnga Saga (Guðmundur Ólafsson 1683–1695: Stockholm, Kungliga Biblioteket, Papp. 4to nr 38, Bl. 125r), Volsunga Saga (Björner 1737, nach Papp. 4to nr 38)
- Verfasser: anonym
- Entstehungszeit: 2. Hälfte des 13. Jh.
- Entstehungsort: Island (oder Norwegen)
- Sprache: Altnordisch
- Länge: 44 Kapitel (rund 26.000 Wörter) (Olsen 1906–1908)
- Form: Prosa mit 30 eingefügten Strophen (Kap. 8, 14, 17, 21, 29–32, 34, 44)
- Erstdruck: Björner 1737
- Online-Ausgaben: von der Hagen 1814, Rafn 1829, Bugge 1865, Wilken 1877, Ranisch 1891, Hannaas 1907, Jónsson 1943–1944 (Transkription), Jónsson 1950(Transkription), Finch 1965 (pdf), Grimstad 2005 (Auszug)
- Maßgebliche Ausgabe: Olsen 1906–1908 [Hathitrust]
- Online-Übersetzungen: Björner 1737 (schw.), von der Hagen 1815 (dt.), Arwidson 1820 (schw., unvollständig), Rafn 1821 (dän.), Rafn 1829 (dän.), Raßmann 1857 (dt.), Beauvois 1867 (fr.), Magnussson/Morris 1870 (engl.) (Transkription), Winkel Horn 1876 (dän., Transkription), Edzardi 1880 (dt.), Ulleland 1887 (norw.), Sander 1893 (schw., Transkription), Hannaas 1907 (norw.), Nieder 1923 (dt., Transkription), Finch 1965 (engl., pdf), Grimstad 2005 (engl., Auszug), Nilssen & Ólafsson 2007 (norw., Transkription)
- Hauptquelle: Lieder-Edda
- Nebenquelle: Thidrekssaga (Sigurd-Beschreibung: TS 185 (fast das ganze Kapitel) > VS 23 ; Kampfbeschreibung: TS 243 (Unger 1854, 22133–2222) > VS 17 (mátti þar … til jarðar); Heeraufgebot: TS 300 (Unger 1854, 2647–9) > VS 17 (lætr nú … lið veita); Kampfbeschreibung: TS 400 (Unger 1854, 3403–5) > VS 17 (Sigurðr höggr … tvá hluti); et passim)
- Rezeption: Sigurdlied (1817–1821), Richard Wagner Ring des Nibelungen (1848–1853), Thomas Mann Wälsungenblut (1906)
- Beschreibung: Wikipedia
Überlieferung, Edition und Gliderung
- Die Völsungasaga ist in einer isländischen Pergamenthandschrift von der Zeit um 1400 erhalten. Sie wurde vom isländischen Bischof Brynjólfur Sveinsson dem dänischen König Friedrich III. geschenkt, gelangte 1656 in die Sammlung des Königs und befindet sich noch heute an der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen. Alle übrigen Handschriften sind jünger als dieses Datum und scheinen direkt auf die Membran zurückzugehen. Es handelt sich also eigentlich um ein unikal überliefertes Werk. Als Vorlage für die Völsungasaga diente höchstwahrscheinlich der damals noch vollständige Codex Regius. Die Prosabearbeitung bietet deshalb einen Einblick in die große Lücke dieser Liedersammlung. Gelegentlich wurden kürzere Passagen fast wörtlich aus der Thidrekssaga entlehnt.
- Die Pergamenthandschrift enthält als zweites Stück Ragnars saga Loðbrókar, eine Erzählung vom legendären dänischen Helden Ragnar Lodbrok, der im 9. Jahrhundert gelebt haben soll. In dieser Saga heiratet Sigurds und Brünhilds Tochter Aslaug Ragnar Lodbrok. Dadurch wird die Nibelungensage in einen vom Burgundenuntergang des 5. Jahrhunderts weit entfernten historischen Rahmen eingebettet. Auch in Ragnars saga Loðbrókar sind Reminiszenzen aus der Thidrekssaga zu finden. Es ist durchaus möglich, dass die beiden, in den modernen Editionen getrennten Texte der Pergamenthandschrift ursprünglich als ein einziges Werk konzipiert wurden und dass sie von demselben Verfasser stammen (so Edzardi 1880).
- Die Pergamenthandschrift hat eine Kapiteleinteilung, die mit roten Initialen und roten Überschriften bezeichnet wird. Diese Markierung ist jedoch nicht systematisch durchgeführt. Deshalb variiert die Kapitalzahl von Ausgabe zu Ausgabe. In der Erstausgabe von 1757 teilte Erik Björner den Text in 52 Kapitel. In der ersten wissenschaftlichen Edition von 1829 reduzierte Carl Christian Rafn die Kapitelzahl auf 43. 1865 kehrte Sofus Bugge zur ursprünglichen Gliederung zurück, so dass er auf 53 Kapitel kam. 1906–1908 druckte Magnus Olsen das letzte Kapitel seiner Vorgänger als das erste in Ragnars saga ab, spaltete das 19. und das 25. Kapitel von Rafns Ausgabe und kam so auf 44 Kapitel. In seinen beiden Ausgaben von 1943–1944 und 1950 blieb Guðni Jónsson mit 42 Kapiteln bei der alter Zählung, ließ jedoch nach Olsens Vorbild das letzte Kapitel weg. Heute hat sich Olsens Gliederung allgemein durchgesetzt und wird in den englischen Ausgaben von Ronald G. Finch (1965) und Kaaren Grimstad (2005) benutzt. In den Hinweisen auf die Völsungasaga bezieht sich dieses Portal auf diese Gliederung in 44 Kapitel:
- Olsen/Finch/Grimstad 1–19 = Rafn/Jónsson 1–19
- Olsen/Finch/Grimstad 20 = Rafn/Jónsson 19
- Olsen/Finch/Grimstad 21–26 = Rafn/Jónsson 20–25
- Olsen/Finch/Grimstad 27 = Rafn/Jónsson 25
- Olsen/Finch/Grimstad 28–44 = Rafn/Jónsson 26–42
Zusammenfassung
- Sigurds Stammbaum (Kap. 1–12): Die Geschichte beginnt mit Odins Sohn Sigi, Sigurds Ururgroßvater. Wegen eines Mords wird Sigi verbannt, bekommt Hilfe von seinem Vater Odin und begründet ein Königreich und ein Geschlecht von Helden, die man nach seinem Enkelsohn Völsungen nennen wird. Sein Sohn heißt Rerir. Er ist Vater von Völsung, Vater von Sigmund und Signy. In Völsungs Halle zieht Sigmund ein Schwert aus einem Baumstamm. Später wird Völsung in einer Schlacht getötet. Seine Söhne werden gefangengenommen, aber Sigmund entkommt und schläft mit seiner Schwester, die ihm einen Sohn Sinfjötli gebiert. Dieser wird von seiner Stiefmutter vergiftet. Sigmund selbst fällt in einer Schlacht, sein Schwert zerbricht gegen Odins Speer.
- Sigurds Geburt und Jugendtaten (Kap. 13–25): Sigmund bekommt einen posthumen Sohn Sigurd durch seine Ehefrau Hjördis. Das Kind wird von dem Schmied Regin großgezogen. Sigurds Stiefvater erzählt, dass sein Bruder Fafnir sich in einen Drachen verwandelt hat und einen Goldschatz hütet. Sigurd akzeptiert Fafnir unter der Bedingung zu töten, dass Regin ihm ein Schwert besorgt. Der Jüngling schmiedet jedoch selbst die zerbrochenen Teile von Sigmunds Waffe zum neuen Schwert Gram zusammen. Sigurd rächt zunächst seinen Vater und tötet dann den Drachen. Er brät das Herz des Ungeheuers, verbrennt sich die Finger, schmeckt das Drachenblut und versteht deshalb die Vogelsprache. Durch Gezwitscher warnen ihn sechs Vögel vor Regin. Er tötet seinen Stiefvater, lädt das Gold auf sein Pferd Gran und reitet zu der von Odin zum Schlaf verurteilten Walküre Brynhild, Atlis Schwester. Sie erwacht und erteilt ihrem Retter eine Runenlehre.
- Sigurds Heirat mit Gudrun und sein Tod (Kap. 26–33): König Gjuki und seine Frau Grimhild haben drei Söhne, Gunnar, Högni und Gutthorm, une eine Tochter, Gudrun. Sigurd gelangt an Gjukis Hof und bekommt dort von Grimhild einen Zaubertrank, der seine Erinnerung an Brynhild löscht. Deshalb heiratet er Gudrun. Gunnar entscheidet sich seinerseits um Brynhild zu werben, kann aber den Flammenwall, der sie beschützt, nicht durchreiten. Er tauscht Gestalt mit seinem Schwager Sigurd, der den Ritt durch die Waberlohe schafft. Sigurd teilt drei Nächte das Lager mit der Walküre, jedoch von ihr durch ein Schwert getrennt. Er nimmt ihr einen Ring, den er ihr früher gegeben hatte, und gibt ihr einen anderen. Sie kommt zu Gjukis Hof und heiratet Gunnar. Beim Baden in einem Fluss streitet sie sich mit ihrer Schwägerin Gudrun, die ihr den ursprünglichen Ring zeigt. Brynhild erkennt den Verrat und reizt ihren Ehemann zum Mord an Sigurd. Gunnar und Högni wollen die Missetat wegen eines Treueschwurs nicht vollstrecken und reizen deshalb ihren Bruder Gutthorm zum Mord. Er durchbohrt den schlafenden Sigurd mit einem Schwert. Obwohl Brynhild ihren Willen bekommen hat, begeht sie Selbstmord, indem sie sich auf Sigurds lodernden Scheiterhaufen wirft.
- Gunnars und Högnis Tod und Gudruns Rache (Kap. 34–40): Gudrun heiratet widerwillig den goldgierigen Atli. Um sich des Schatzes zu bemächtigen, lädt er seine Schwäger Gunnar und Högni zu einem Fest ein. Gudrun warnt sie vergeblich gegen ihren Mann. Bei der Ankunft werden die Brüder gefangen genommen. Gunnar weigert sich den Versteckort zu enthüllen, so lange sein Bruder lebt. Nachdem Högnis Herz herausgeschnitten worden ist, jubelt Gunnar und endet sein Leben in einem Schlangenhof. Um ihre Brüder zu rächen, tötet Gudrun die Kinder, die sie von Atli bekommen hat, und wartet ihren Mann mit den Herzen und dem Blut seiner Söhne auf. Zusammen mit Högnis Sohn tötet sie endlich ihren Ehemann und zündet seine Halle an.
- Gudruns Heirat mit Jörmunrek (Kap. 41–44): Nach einem misslungenen Selbstmordversuch erreicht Gudrun das Land des Königs Jonak. Sie heiratet ihn und bekommt drei Söhne Hamdir, Sörli und Erp. Zusammen mit Sigurd hat sie die Tochter Svanhild bekommen. Diese Jungfrau wird von den Pferden des Königs Jörmunrek zum Tod zertrampelt. In einem Versuch, ihre Halbschwester zu rächen, töten Hamdir und Sörli aus Versehen ihren Bruder Erp, hauen danach Jörmunrek Hände und Füße ab und werden dafür gesteinigt.