Eilhart von Oberg

Eilharts von Oberg Tristrant ist die erste deutsche Fassung der Tristansage und die älteste vollständig überlieferte Bearbeitung überhaupt. Sie ist in einer nur fragmentarischen älteren Fassung (MRSt) und einer in einem Fragment aus der Zeit um 1300 (S) und drei Handschriften aus dem 15. Jahrhundert vollständig überlieferten Bearbeitung (BDH) zu uns gelangt. Der Text ist in H mit 91 Federzeichnungen illustriert. Eilharts Roman diente als Vorlage für eine in zwei Handschriften von 1449 und 1483 erhaltene alttschechische Übertragung (C) und eine 1484 zuerst in Augsburg gedruckte und später oft neu aufgelegte frühneuhochdeutsche Prosaauflösung (P). Der Verfassername ist nur in den drei jüngeren Handschriften und der Prosaauflösung überliefert, hier sehr unterschiedlich. In der 1877 von Franz Lichtenstein rekonstruierten Fassung zählt der Text 9524 Verse und drängt also den Stoff mehr als Thomas, Berol und Gottfried. Eilhart liefert keine genaue Angabe über seine Vorlage. Fest steht nur, dass sie aus dem französischen Sprachraum stammt, wohl eher aus England als aus dem Kontinent, und dass sie mit Berols Roman verwandt ist. Das Ende der deutschen Bearbeitung entfernt sich jedoch von dieser französischen Fassung.

Beide Texte vertreten die spielmännische Version, die „version commune“, die sich dadurch kennzeichnet, dass der Minnetrank einerseits eine zeitbegrenzte Wirkung hat und dass Marke andererseits seine Frau selbst zum Scheiterhaufen verurteilt (v. 3959 ff.), anstatt sie einem Gottesurteil zu unterwerfen. Dadurch wird ein grausameres Bild von seiner Persönlichkeit entworfen. Während er bei Berol spontan und aus eigenem Antrieb diese Entscheidung trifft, lässt er sich bei Eilhart beraten, jedoch nicht über die Schuldfrage, sondern nur über die Art und Weise, wie er die Schuldigen am besten demütigen könne.

Wie bei Berol findet die Wirkung des Tranks Erwähnung in der Waldszene. Tristan erwacht jedoch nicht wie in der französischen Fassung aus einer Hypnose. Er bleibt nur so lange im Wald, bis die Macht des Tranks vergeht (v. 4729: „biz des trankis craft vorgî“). Zu diesem Zeitpunkt sind vier Jahre (v. 4734) seit der verhängnisvollen Überfahrt von Irland nach Cornwall verstrichen, also ein Jahr mehr als bei Berol.

Eilhart lässt sich vielleicht mit einem gleichnamigen Braunschweiger Ministerialen identifizieren, der zwischen 1189 und 1227 als „Eilhardus de Oberch“ beurkundet ist. In zehn Urkunden tritt er als Zeuge von König Heinrich dem Löwen und dessen Söhnen, Kaiser Otto IV. und dem Pfalzgrafen Heinrich, auf. Das Geschlecht dieses Zeugen hatte seinen Stammsitz auf dem Rittergut Oberg zwischen Braunschweig und Hildesheim. Eine nahe Verbindung zwischen dem sächsischen und dem englischen Hof bestand seit der Hochzeit 1168 zwischen Heinrich dem Löwen und Mathilde von England, Tochter Heinrichs II. und Eleonores von Aquitanien. Mathilde und ihre englische Familie können bei der Vermittlung der französischen Vorlage eine Rolle gespielt haben. Die Identifikation des Dichters mit dem Braunschweiger Ministerialen ist umstritten. Zum Verfasser vgl. Lichtenstein 1877, S. xlvii–liii und Schröder 1898, S. 72–82.

Die Datierung von Eilharts Fassung wirft Schwierigkeiten auf. Eine obere Zeitgrenze für die Bearbeitung liefern die Vermählung Heinrichs dem Löwen mit Mathilde und überhaupt die Entstehung der Tristansage, eine untere die Überlieferung. Die ältesten Fragmente werden in die ersten Jahre des 13. Jahrhunderts datiert und könnten sogar vor 1200 entstanden sein (MRSt). Daraus ergibt sich ein Zeitraum von etwa drei Jahrzehnten (1170–1200). Die plausible Identifikation mit dem Braunschweiger Ministerialen spricht für das letzte Jahrzehnt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sowohl Thomas als auch Berol damals schon ihre jeweiligen Romane verfasst hatten und dass Eilhart beide Fassungen vorlagen. Dies könnte die Abweichungen seiner Version von Berol erklären. Eilhart wird nie ausdrücklich von Gottfried erwähnt. Es liegt allerdings auf der Hand, dass der Elsässer auf den Verfasser des Tristrant zielt, wenn er seine Vorgänger kritisiert, besonders im Prolog (v. 131–134), aber auch in der Verurteilung der „Schwalbenfabel“ (v. 8601 ff.). Bei Eilhart wird die Brautfahrt dadurch ausgelöst, dass zwei Schwalben ein Haar der irischen Prinzessin nach Cornwall bringen (v. 1381 ff.), und dieses Ereignis wird mit Nachdruck als eine Wahrheit beteuert (v. 1385: „diz merkit recht, wen ez ist wâr“). Davon scheint sich der elsässische Rationalist zu distanzieren.

Kurzbeschreibung

  • Beziehung zur Tristansage: vollständige Bearbeitung
  • Überlieferung: 3 Handschriften (BDH), 4 Fragmente (MRSSt) und ein verschollenes Fragment → Handschriftencensus
  • Online-Überlieferung: D (Vollanzeige: Bl. 90va–156vb), H (Vollanzeige: Bl. 2r–175r), M (Teilanzeige: Bl. 4r), R (Vollanzeige: Bl. 1r–1v), S (Vollanzeige: 1r–2v)
  • Titel: Tristrant (Bußmann 1969 und alle späteren Ausgaben)
  • Verfasser: „von Ogerengen Enthartte“ und „Ebhart“ (B), „von Hobergin her Eylhart“ und „Eylhart“ (D 156rb), „von Baubemberg Segehart“ und „Seghart“ (H 173v), „Filhart vo[n] oberet“ (P 187r), „von Hôbergin her Eilhart“ und „Eilhart“ (Lichtenstein 1877, v. 9446 und v. 9456)
  • Sprache: mitteldeutsch
  • Länge: 9524 Verse (Lichtenstein 1877)
  • Form: paargereimte Verse
  • Entstehungszeit: 1170/1200
  • Entstehungsort: vielleicht in Braunschweig
  • Erstdruck: Lichenstein 1877 (Transkription)
  • Online-Übersetzungen: keine
  • Hauptquelle: unbekannte mit Berols Roman verwandte französische Fassung
  • Rezeption: alttschechischer Tristram (14. Jh.), Tristrant und Isalde (1484) und dadurch eine Tragödie und sechs Meisterlieder von Hans Sachs (1551–1553)
  • Beschreibungen: Wolf/Schröder 1980 (PDF) = Wachinger 2000, Wikipedia