Hartmann von Aue in der Liederhandschrift C, Bl. 184v
Die Hartmann-Seiten dieses Portals beschreiben die Überlieferung der Werke Hartmanns von Aue und stellen die Editionen und Übersetzungen in chronologischer Reihenfolge zusammen. Da mehrere gedruckte Hartmann-Bibliographien vorliegen, wurde darauf verzichtet, eine Online-Bibliographie zu erstellen.
Grundlage für die Beschreibung der Hartmann-Überlieferung sind neben dem ‚Handschriftencensus‘ die seit 2018 bzw. 2015 eingeleiteten Projekte ‚Iwein – Digital‘ [Anfangsseite] und ‚Der arme Heinrich – Digital‘ [Anfangsseite]. Sie werden hoffentlich in Zukunft durch entsprechende Projekte über die übrigen Werke ergänzt. Ganz besonders nützlich ist auch das schon 2011 von Roy A. Boggs eröffnete, heute von der Universität Trier beherbergte ‚Hartmann von Aue-Portal‘ [Anfangsseite]. Die Hartmann-Seiten des ‚Gottfried-Portals‘ sind nur als Ergänzung dieser bekannten Online-Ressourcen gedacht.
Die meisten Angaben zu den verzeichneten Editionen und Übersetzungen beruhen auf den reichen, weitgehend aus deutscher Zeit ererbten Beständen der ehemaligen ‚Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg‘ (KULBS), heute ‚Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg‘ (BNUS) [Website]. Da wegen der sanitären Lage deutsche Bibliotheksbesuche momentan nicht in Frage kommen, ist der Webmaster für Ergänzungen und Korrekturen dankbar. Er wird sich bemühen, diese Seiten fortlaufend zu ergänzen. Ganz besonders willkommen sind Rückmeldungen über die am Oberrhein schwer zugänglichen Übersetzungen ins Englische, Italienische, Japanische, Rumänische, Spanische und Ungarische.
Unter Hartmanns Namen sind vier epische Werke überliefert: der Erec, der Gregorius, der Iwein und der Arme Heinrich. Die Autorschaft ist durch acht Selbstnennungen eindeutig gesichert (Erec, v. 7493 f.; Gregorius, v. 173, 3989; Iwein, v. 28 f., 2974 f., 2982 f., 7027; Armer Heinrich, v. 4 f.). Außer dieser Epik hat Hartmann auch eine als Selbstbiographie angelegte Klage verfasst. Sie ist ebenfalls durch eine Selbstnennung gesichert (v. 29). Endlich überliefern die drei wichtigsten Liedersammlungen (ABC) insgesamt 60 Strophen in 18 Tönen unter Hartmanns Namen. Nur in einem der Lieder findet sich eine Selbstnennung (Nr. XV,1,3). Zwei Töne (Nr. XII und XVIII) sind in drei weiteren Sammlungen (Ems) unter anderen Namen (Walther und Reinmar) und mit zwei zusätzlichen Strophen (Nr. XII,4–5) zu finden. Die Zuschreibung der Plusstrophen und der übrigen Strophen dieser Lieder an Hartmann ist umstritten. Meist gelten die 60 C-Strophen jedoch als echt.
1842 wurde Hartmanns Gesamtwerk von Moriz Haupt um das anonyme, im ‚Ambraser Heldenbuch‘ unikal überlieferte, unmittelbar nach dem Iwein und der Klage und vor dem Erec eingetragene Zweite Büchlein ergänzt. In einer gründlichen Reimstudie widerlegte Karl Kraus 1898 diese Zuschreibung (S. 111–172) [abrufbar]. Seither verteidigt sie kaum niemand mehr. Hartmann wird kein anderes anonymes Werk zugeschrieben. Während mehrere zeitgenössische Dichter wie etwa Wolfram von Eschenbach, Wirnt von Grafenberg und Walther von der Vogelweide im Laufe der letzten drei Jahrhunderte mit dem Autor des Nibelungenliedes identifiziert worden sind, ist Hartmanns Name nie vorgeschlagen worden (zu den knapp 50 Verfasserthesen vgl. Andersen 2020 [Verlag]). Hartmanns Gesamtwerk ist um die in BC unter dem Namen ‚Keiser Heinrich‘ überlieferten Lieder zu ergänzen, wenn er mit Heinrich IV. identisch war und nur ‚Hartman von Owe‘ als Künstlername benutzte (Andersen 2016 [Verlag]).
Auf den Hartmann-Seiten dieses Portals werden soweit möglich alle vollständigen Editionen und Übersetzungen verzeichnet. Auszüge in Anthologien, Lesebüchern o.ä. werden nicht berücksichtigt, wenn sie weniger als ein Zehntel des gesamten Werks ausmachen. Nur für die Lyrik wird eine gewisse Vollständigkeit angestrebt.
Die fünf Werke und 18 Lieder sind durch 62 Textzeugen bekannt: 27 Codices, 29 Fragmente und sechs Liederhandschriften. Drei Codices enthalten nur Federproben (Gregorius O, Iwein P und Armer Heinrich F) und werden deshalb auf den entsprechenden Seiten zusammen mit den Fragmenten beschrieben. Zwei weitere Codices (Armer Heinrich A und Gregorius B) und drei Fragmente (Iwein KNR) sind heute verbrannt oder verschollen. Ihr Inhalt ist allerdings in Abdrücken überliefert, in einem Fall in einer neuzeitlichen Abschrift (Gregorius B). Erhalten sind also 58 Handschriften. Sie befinden sich an Standorten neun verschiedener Länder: in Belgien (1), Deutschland (32), Frankreich (3), Großbritannien (1), Italien (2), den Niederlanden (1), Österreich (10), Polen (1), der Schweiz (4), Tschechien (2) und Ungarn (1). Nur das ‚Ambraser Heldenbuch‘ enthält mehr als einen Hartmann-Text (Klage, Erec A, Iwein d). Zwei Hartmann-Handschriften sind noch nicht abrufbar, die neuzeitliche Abschrift von Gregorius B in Straßburg und Gregorius K in Konstanz.
Die genaue Anzahl von Hartmann-Versen in diesen Handschriften ist meist bekannt. In einigen Fällen lässt sich der Umfang nur anhand der durchschnittlichen Versanzahl pro Seite einschätzen. Das gilt insbesondere für die Iwein-Handschriften. Von einigen Versen sind manchmal nur wenige Buchstaben übriggeblieben, andere Verse sind heute unlesbar geworden, beispielsweise in der Iwein-Handschrift A. Der Gesamtumfang der 65 Textzeugen lässt sich trotz dieser Schwierigkeiten mit einiger Genauigkeit berechnen. Er beträgt ungefähr 169500 Verse. Das ist erheblich weniger als Gottfrieds Gesamtwerk, das nur den Tristan und zwei Lieder umfasst. Die zwölf mehr oder weniger vollständigen Tristan-Handschriften enthalten mehr als 200000 Verse, obwohl einige eine stark kürzende Tendenz aufweisen, wie die Handschrift M.
Hartmanns fünf Werke und die 60 Strophen mit relativ gut gesicherter Zuordnung an Hartmann enthielten ursprünglich rund 26800 Verse. Von der Klage fehlen heute sechs Verse (v. 1801 f., 1822–1825), vom Erec vermutlich rund 200 Verse: der Anfang, einige Verse nach v. 4629 und 13 Verse vor oder nach durch Verlust entstandenen Waisen (v. 1429, 1961, 2055, 3623, 3789, 4079, 4117, 4238, 5043, 5545, 6125, 6520, 6589). Im Vergleich mit dem Gesamtwerk betragen diese Verluste weniger als 1 %. Der Inhalt der kürzeren Lücken lässt sich relativ gut rekonstruieren. Unter Hartmanns Namen sind auch Verse überliefert, die eindeutig von jüngeren Händen stammen, besonders in Iwein-Handschriften. Die Handschrift J hat 38 Plusverse am Anfang, die Handschriften f und r 114 bzw. 6 Plusverse zum Schluss.
Bischheim, den 11. Juni 2021 (zuletzt aktualisiert 25.6.2022)
Der Webmaster
Ergänzungen und Korrekturen: andersen@unistra.fr
Zitierte Editionen
- Klage: Gärtner 2015, Kurt (Hrsg.): Hartmann von Aue. Die Klage. Berlin [u.a.] (= Altdeutsche Bibliothek 123)
- Erec: Mertens 2008, Volker (Hrsg.): Hartmann von Aue. Erec. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Hrsg., übersetzt und kommentiert von V.M. Stuttgart (= Reclams Universal-Bibliothek 18530)
- Gregorius: Fritsch-Rößler 2011, Waltraud (Hrsg.): Hartmann von Aue. Gregorius. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Neumann neu hrsg., übersetzt und kommentiert von W.F.R. Stuttgart (= Reclams Universal-Bibliothek 18764)
- Iwein: Krohn 2011, Rüdiger (Hrsg.): Hartmann von Aue. Iwein. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Hrsg. und übersetzt von R.K. Kommentiert von Mireille Schnyder. Stuttgart (= Reclams Universal-Bibliothek 19011)
- Armer Heinrich: Busch/Wolf 2013, Nathanael/Jürgen (Hrsg.): Hartmann von Aue. Der arme Heinrich. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch / Hrsg., übersetzt und kommentiert von N.B. und J.W. Stuttgart (= Reclams Universal-Bibliothek 19131)
- Lieder: Moser/Tervooren 381988, Hugo/Helmut (Hrsg.): Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus bearbeitet von H.M. und H.T. Stuttgart
Hartmann-Bibliographien
- Herrmann 1878, Carl Heinrich: Bibliotheca germanica. Verzeichniss der vom Jahre 1830 bis Ende 1875 in Deutschland erschienenen Schriften über altdeutsche Sprache und Literatur nebst verwandten Fächern […]. Heft 1. Halle/S., S. 224–228 [abrufbar] → ca. 100 Einträge
- Spaarnay 1938, Hendricus: Hartmann von Aue. Studien zu einer Biographie. Bd. 2. Halle/S., S. 107–145 [GVK] → 594 Einträge
- Klemt 1968, Ingrid: Hartmann von Aue. Eine Zusammenstellung der über ihn und sein Werk von 1927 bis 1965 erschienenen Literatur. Köln (= Bibliographische Hefte 5), S. 1–50 [GVK] → 356 Einträge
- Linke 1968, Hansjürgen: Epische Strukturen in der Dichtung Hartmanns von Aue. Untersuchungen zur Formkritik, Werkstruktur und Vortragsgliederung. München, S. 170–205 [GVK] → 478 Einträge
- Kuhn/Cormeau 1973, Hugo/Christoph: Bibliographie. In: Hartmann von Aue. Hrsg. von H.K. und C.C. Darmstadt (= Wege der Forschung 359), S. 561–568 [GVK] → 107 Einträge
- Neubuhr 1977, Elfriede: Bibliographie zu Hartmann von Aue. Berlin (= Bibliographien zur deutschen Literatur des Mittelalters 6), S. 14–156 [GVK] → 1299 Einträge
- Cormeau/Störmer 1985, Christoph/Wilhelm: Hartmann von Aue. Epoche, Werk, Wirkung. München (= Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte) [GVK]; 21993, S. 245–263 [GVK]; 31998, S. 245–286 [auszugsweise abrufbar] → ca. 200 Einträge (1993 und 1998 zahlreiche Nachträge)
- Hörner 1998, Petra: Hartmann von Aue. Mit einer Bibliographie 1976–1997. Frankfurt/M. [u.a.] (= Information und Interpretation 8), S. 168–272 [GVK] → 861 Einträge