Ulrich von Türheim

Kurzbeschreibung

  • Beziehung zur Tristansage: Ende, erste Gottfried-Fortsetzung
  • Überlieferung: 7 Handschriften (BHMNPRS) → Handschriftencensus
  • Online-Überlieferung: B (Vollanzeige: Bl. 117va–132rb = S. 234a–263b), H (Vollanzeige: Bl. 128v–152v), M (Vollanzeige: 99rb–108vb), R (Vollanzeige: Bl. 578v–597v)
  • Titel: Tristan (von Groote 1821), Tristan und Isolt (von der Hagen 1823), Fortsetzung (Maßmann 1843)
  • Verfasser: „von Türheim Uolrich“ (v. 3698)
  • Sprache: mittelhochdeutsch
  • Länge: 3728 Verse (von der Hagen und alle späteren Ausgaben)
  • Form: paargereimte Verse
  • Entstehungszeit: um 1240
  • Entstehungsort: wohl in der Nähe von Augsburg
  • Erstdruck: von Groote 1821
  • Online-Ausgaben: von der Hagen 1823, Maßmann 1843, Golther 1889 (nur v. 1–373), Bechstein 1891 (nur v. 1–43)
  • Online-Übersetzungen: Golther 1889 (Nacherzählung: v. 374–3728), Bechstein 1891 (Nacherzählung: v. 44–3728)
  • Hauptquelle: Eilharts von Oberg Tristrant (1170/1200)
  • Rezeption: Heinrichs von Freiberg Tristan (um 1280)
  • Beschreibung: Wikipedia

Zum Autor und Text

Ulrichs von Türheim Tristan ist die älteste Gottfried-Fortsetzung. Sie ist in sieben Abschriften überliefert, immer zusammen mit Gottfrieds Anfang und fast in jedem Fall direkt danach eingetragen, meist ohne graphische Hervorhebung des Übergangs (BHMNPRS). In zwei Fällen ist der Tristan als Mönch zwischen beide Texte eingefügt (RS) und hat dabei den Platz des Prologs übernommen. Drei der sieben Handschriften sind illustriert. In Ulrichs Fortsetzung enthalten B und R beide zwei Zeichnungen (B: Bl. 127va = S. 254a, Bl. 132ra = S. 263 a; R: Bl. 584v, 589v [Vollanzeige]). M hat 18 Szenen auf drei Blättern mit je sechs Szenen (Bl. 101r– v, 104r– v, 107r– v).

Ulrichs Fortsetzung umfasst 3728 Verse und beruht weitgehend auf Eilharts Fassung. Dem Text ist in den meisten Handschriften ein Prolog vorangestellt. Hier bedauert der Dichter Gottfrieds frühzeitigen Tod und erwähnt seinen Auftraggeber:

„Unsagbarer Verlust hat uns getroffen, den die Dichtung hier beklagen muss, blieb sie doch Torso, denn Meister Gottfried, der sie einst begonnen hat – er lebt nicht mehr. Sein ganzes großes Können hat sein Leben lang darauf verwandt. Er war fürwahr ein großer Künstler, wie dieses Gedicht bekundet, das eine kunstvoll ausgeformte Geschichte bietet – schön, vollkommen. Kein anderes Gedicht vermag es an Sprachgewalt zu überbieten, wie jeder Kenner wahrer Kunst bekunden wird. Ach, herzbewegend ist unsere Klage, dass der Tod sein Leben vor der Zeit beschloss, so dass sein Werk ein Torso blieb. Nachdem es leider dahin kam, dass ihn der Tod von uns genommen, so habe ich mich denn entschlossen, dies Buch nach allerbestem Können mit wohlgesetzten Versen zu vollenden und ans Ziel zu bringen. Es hat mich nämlich Konrad, Schenk von Winterstetten, inständig gebeten.“ (Spiewok/Buschinger 1992, v. 1–26)

Ulrichs Auftraggeber Konrad von Winterstetten stammte aus einer oberschwäbischen Familie. Burg Winterstetten liegt in der Nähe von Ravensburg. Konrad fungierte als Reichsschenk und Erzieher für Heinrich (VII.) und Konrad, die Söhne des Kaisers Friedrich II. Er war also ein hoher Hofbeamter in der staufischen Verwaltung. Er beförderte die Literatur, und sein Enkel Ulrich von Winterstetten wurde später als Dichter bekannt. Da Konrad von Winterstetten um 1243 starb, ist Ulrichs Tristan-Fortsetzung vor diesem Jahr entstanden.

Der Dichter nennt erst am Ende seinen eigenen Namen (Maßmann 1843, v. 3598: „ich, von Türheim Uolrich“), verschweigt aber seine unmittelbare Quelle und spricht nur von einem „buoch“ (Maßmann 1843, v. 3627). 1236 und 1244 taucht er in zwei Urkunden des Bischofs und des Domkapitels von Augsburg auf (Roth 1838, S. 78 und 82). Man rechnet damit, dass er den Tristan etwa in diesem Zeitraum schrieb und damals um die 40 war. Er entstammte dem niedrigen Adel. Die Herren von Thürheim nannten sich nach dem schwäbischen Ort Thürheim im heutigen Landkreis Dillingen an der Donau.

Ulrich ist auch der Verfasser von zwei anderen Dichtungen. Sein größter Erfolg ist sein zweites Werk, der Rennewart, ein Epos von 36.000 Versen, in dem Ulrich den Willehalm Wolframs von Eschenbach weiterführte. Vom Rennewart sind 40 Handschriften überliefert. Ulrich übersetzte auch den Cligès Chrétiens von Troyes. Davon ist nur ein Bruchstück erhalten. Im Rennewart beklagt Ulrich den Tod Konrads von Winterstetten. Deshalb muss er dieses Werk nach dem Tristan verfasst haben. Im Willehalm von Orlens beschreibt Rudolf von Ems sich als Freund von Ulrich (Junk 1905, v. 2256, v. 4390) und erwähnt ihn als Dichter des Kliges (Junk 1905, v. 2266). Im Alexander schreibt Rudolf dieses Werk Konrad von Vleck zu (Junk 1928/1929, v. 3247 = Kap. 42) und lobt gleichzeitig Ulrich ohne Hinweis auf ein bestimmtes Werk (Junk 1928/1929, v. 3262 = Kap. 42). Da Rudolf den Rennewart nicht nennt, kann Ulrich diesen Text damals noch nicht verfasst haben.

Im Tristan verhält sich Ulrich relativ selbständig gegenüber seiner Quelle, Eilharts Tristrant. Er beginnt die Fortsetzung mit der Eheschließung in Karke. Die Geschichte endet traditionell mit dem Tod der Liebenden. König Marke lässt die beiden nebeneinander begraben und pflanzt einen Rebenstock auf Isoldes Grab, einen Rosenstock auf Tristans Grab. Bei Eilhart ist es umgekehrt. Bei Ulrich verflechten sich die beiden Stöcke noch in der Erde (Maßmann 1843, v. 3612), bei Eilhart erst die Äste.