Chrétien von Troyes

Das Werk

  • Chrétien von Troyes gilt als Begründer des höfischen Romans. Von ihm sind fünf Versromane, zwei Lieder und eine Übertragung der Philomena aus Ovids Metamorphosen überliefert. Die Romane werden manchmal aus praktischen Gründen nach den männlichen Helden benannt: Érec (um 1170), Cligès (um 1175), Lancelot (1175–1181), Yvain (1175–1181) und Perceval (1182–1190). In den Prologen versah der Dichter selbst die Werke mit thematischen Titeln: Érec et Énide, La Fausse morte (‚die falsche Tote‘ = Cligès‘ Geliebte Fénice), Le Chevalier de la charrette (‚der Karrenritter‘), Le Chevalier au lion (‚der Löwenritter‘) und Le Conte du Graal (‚der Graalsroman‘). Chrétien hat weitere Texte verfasst, die nicht erhalten sind. Im Prolog des Cligès listet er eine beeindruckende Bibliographie auf und beanspucht dabei eine Bearbeitung der Tristansage.

Der Verfasser

  • Über den Lebenslauf des Dichters wissen wir nur, dass er selbst erklärt. Er nennt  meist nur seinen Vornamen, in seinem Erstwerk jedoch auch seine Herkunft (Erec 9: Chrestiiens de Troies). Er hat vermutlich am Hof von Champagne verweilt, denn er schrieb den Lancelot auf den Befehl der Gräfin Marie von Champagne (Lancelot 1: ma dame de Chanpaigne). Als er den Perceval verfasste, stand er im Dienst des Grafen von Flandern, Philipp von Elsass (†1191) (Perceval 13: li cuens Phelipes de Flandres). Da dieser Roman unvollendet blieb, wird vermutet, dass der Dichter kurz vor dem Tod des Grafen starb. Nach Gerbert von Montreuil, Autor einer Graalfortsetzung um 1230, starb Chrétien zu früh, um den Perceval zu vollenden (V. 6984–6987 = Williams 1922, S. 214). Chrétien‘s dichterische Tätigkeit erstreckte sich also über rund zwei Jahrzehnte.

Überlieferung

  • Erec: 13 Handschriften (Arlima)
  • Cligès: 12 Handschriften (Arlima)
  • Lancelot: 8 Handschriften (Arlima)
  • Yvain: 11 Handschriften (Arlima)
  • Perceval: 17 Handschriften (Arlima)

Online-Ausgaben

Die maßgeblichen kritischen Ausgaben wurden am Ende des 19. Jahrhunderts vom österreichischen Romanisten Wendelin Foerster besorgt und erfuhren mehrere verbesserte Neuauflagen. Diese Ausgaben wurden nach seinem Tod 1915 von Alfons Hilka fortgesetzt. Sie berücksichtigen die Gesamtüberlieferung und bieten Texte mit einer höheren Verszahl als die Einzelhandschriften. Die beste Handschrift ist diejenige eines Kopisten, der sich Guiot nennt. Seine Aufzeichnung (Paris, BNF fr. 794, Sigle P) entstand im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts (Abbildung). Sie bildet die Grundlage der diplomatischen Ausgaben von Mario Roques und Félix Lecoy (5 Bände 1952–1975, Nachdruck 21982–2009). Unter der Leitung von Pierre Kunstmann sind die Romane im Rahmen des Dictionnaire Électronique de Chrétien de Troyes (DECT) nach P transkribiert worden.

Online-Übersetzungen

Tristan-Stellen im Erec

  • V. 424= P 424 = Bl. 3va (Iseuz, P Isolz)
  • V. 1248= P 1242 = Bl. 5vb (Tristanz, Morhot)
  • V. 1713 = P 1687 = Bl. 6rc (Tristanz)
  • V. 2076f = P 2022f = Bl. 8va (Iseuz, Brangiens, P Enyde, Brangiens)
  • V. 4946 = P 4908  = Bl. 19va (Iseuz, P oel)

Tristan-Stellen im Cligès

  • V. 5 = P 5 = Bl. 54rb (Marc, Iseut, P Ysalt)
  • V. 2790= P 2750= Bl. 64va (Tristanz, Marc)
  • V. 3147= P 3107 = Bl. 65vc (IseutTristan, P Ysolt)
  • V. 3151 =P 3111 = Bl. 65vc (Iseuz, P Isolz)
  • V. 5260f = P 5200f = Bl. 73vc (Tristanz, Iseuz)
  • V. 5312f = P 5252f =Bl. 74ra (Iseut, Tristan, P Isolt, Tristant)

Chrétien‘s Tristan

  • Im Prolog des Cligès behauptet der Dichter, er habe einen Text über „König Marke und die blonde Isolde“ geschrieben (V. 5: del roi Marc et d’Ysalt la blonde). Dieses Werk ist nicht überliefert und nur durch den Dichter selbst belegt. Wendelin Foerster verließ sich auf diese Aussage: „Der Kristiansche Tristan ist die älteste litterarische Fassung, von der wir Kunde haben“ (Foerster 1901, S. xxi). Dagegen hielt Gaston Paris in einer Rezension zu Foersters Cligès-Ausgabe das beanspruchte Werk für eine Quellenfiktion oder zur Not für ein unbedeutendes Episodengedicht (Paris 1902, S. 302). Für den französischen Philologen war der Cligès als „Anti-Tristan“ konzipiert (Paris 1902, S. 297).

Rezeption

  • Chrétien hat die europäische Literatur nachhaltig beeinflusst. Vier von seinen Romanen wurden relativ schnell ins Deutsche übertragen, der Erec und der Yvain zwischen 1190 und 1200 von Hartmann von Aue, der Perceval um 1205 von Wolfram von Eschenbach, der Cligès vermutlich um 1240 von Ulrich von Türheim. Während der Iwein (33 Hss.) und besonders der Parzival (87 Hss.) reich überliefert sind, ist nur ein Fragment vom mittelhochdeutschen Kliges erhalten, und der deutsche Erec ist weitgehend unikal überliefert. Außer der vollständigen Haupthandschrift sind nur drei Fragmente von diesem Artusroman bekannt. Im Erec hat Hartmann von Aue keinen der fünf Tristan-Stellen übersetzt. Entweder hielt er die Hinweise für unangemessen, weil die Tristansage dem deutschen Publikum damals noch nicht bekannt war, oder er wollte sich aus persönlichen Gründen nicht damit auseinandersetzen. Das Kligès-Fragment umfasst keine der betroffenen Passagen.